PLANET DIGITAL
Eine Ausstellung zum Stand der Digitalisierung von Universität Zürich und Museum für Gestaltung Zürich
in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und AlgorithmWatch Schweiz.
Vertigo / Big Sister
Das Datensofa Vertigo und die interaktive Videoinstallation Big Sister sind in der Zusammenarbeit der Künstlerin Elisabeth Eberle mit dem Neuro-Ophthalmologen Konrad Weber entstanden, der sich mit der Schnittstelle von Auge und Gehirn befasst. Entwickelt wurden die beiden Arbeiten aus wissenschaftlichem und diagnostischem Video-Material.
Als Ausgangspunkt dienten Videos, die mit einer speziell entwickelten Infrarot-Videobrille aufgenommen wurden, um den vestibulo-okulären Reflex zu messen. Dieser Gleichgewichtsreflex aus dem Innenohr ist einer der schnellsten Reflexe im menschlichen Körper. Er stabilisiert bei Kopfbewegungen die Augen im Raum – ähnlich wie der Bildstabilisator bei einer Videokamera. Gemessen wurde also die Gleichgewichtsfunktion des Menschen über die Verbindung vom Innenohr durch das Gehirn zu den Augen. Die verwendete Brille hat ein Team mit Konrad Weber an der University of Sydney entwickelt, sie wird mittlerweile weltweit zur klinischen Diagnostik von Gleichgewichtsstörungen verwendet. Davor hatten sich die Patientinnen und Patienten dazu hundert Jahre lang einem sehr unangenehmen Test unterziehen müssen, bei dem die Ohren mit warmem und kaltem Wasser gespült wurden, um Drehschwindel zu erzeugen.
Die Video-Analysen wurden nach der Auswertung als dreidimensionale Gebilde aus aggregierten Datenkurven visualisiert. Die hier gezeigten Werke, die aus dem ursprünglich diagnostischen Material entstanden, wurden unter Beteiligung eines Astrophysikers, eines Ingenieurs und verschiedener Techniker produziert.
Big Sister
Für die hier verwendeten Videos wurden die Augenbewegungen von gesunden, teilweise geschminkten Probandinnen gefilmt, wobei die Mascara teilweise Aufnahme-Artefakte, also diagnostische Fehlerquellen, erzeugte; eine Probandin ist die achtjährige Tochter des Neuro-Ophthalmologen. Obwohl die Testpersonen während der Aufnahmen teilweise in Bewegung gebracht, zum Beispiel rotiert wurden, suggerieren die an der aufgesetzten Infrarotbrille befestigten Kameras eine statische Position: Nur die Augenbewegungen wurden erfasst. Auf den statischen Monitoren in der Ausstellung wird deutlich, wie sehr die Wahrnehmung vom Standpunkt abhängt.
Die Videos wurden so programmiert, dass die Besucherinnen und Besucher getrackt und mit dem Blick in mehrere Richtungen verfolgt werden, was die wissenschaftliche Aufzeichnung von menschlichen Augenbewegungen digital pervertiert – es entsteht so ein Gefühl von Überwachung. Das vermeintlich menschliche Gegenüber, das bei Langeweile – etwa wenn niemand vor dem Bildschirm steht – sogar die Augen schliesst, wird zur virtuellen Beobachterin. Wer beobachtet und wer wird beobachtet?
Vertigo / Big Sister
The Vertigo «data sofa» and the interactive video installation Big Sister were conceived by artist Elisabeth Eberle in collaboration with neuro-ophthalmologist Konrad Weber, who studies the eye-brain interface. The two works were developed based on scientific and diagnostic video material.
Videos recorded with infrared video glasses specially designed to measure the vestibulo-ocular reflex formed the starting point for these works. The vestibulo-ocular reflex is an inner-ear reflex related to balance, and is one of the fastest reflexes in the human body. It ensures spatial stabilization of the eyes when the head moves, like image stabilization on a video camera. That is why the test measures a person’s sense of balance in terms of the connection from the inner ear via the brain to the eyes. The glasses were developed by a team working with Konrad Weber at the University of Sydney and are now used all over the world in clinical diagnosis of balance disorders. Previously, patients had to undergo a very unpleasant 100-year-old procedure that involved irrigating the ears with warm and cold water to induce rotatory vertigo.
Once the video analyses have been evaluated, they are visualized as three-dimensional structures made up of aggregated data curves. An astrophysicist, an engineer, and various technicians were involved in producing the works shown here, which were created from the original diagnostic material.
Big Sister
The videos used here filmed the eye movements of healthy female test subjects, some of them wearing mascara which created recording artefacts, i.e., sources of diagnostic error. Weber’s eight-year-old daughter was one of the test participants. Although the test subjects sometimes moved during the recordings, for example turning around, the cameras affixed to the infrared glasses they wore suggest a static position; only the eye movements are recorded. Watching the static monitors in the exhibition, the extent to which our vantage point affects perception becomes evident.
The videos were programmed to track visitors, following their gaze in several directions, thus digitally perverting scientific recordings of human eye movements and conjuring up a sense of surveillance. A supposedly human counterpart that even closes its eyes when bored – for example when no one is standing in front of the monitor – becomes a virtual observer. Who is watching whom here?
- Partizipierende:
- Katharina Weikl