UNREPORTED
Elisabeth Eberle | Schweiz
UNREPORTED
21. März bis 14. Mai 2023 im Kunstraum Engländerbau
Holzobjekte aus der Serie FRUITS und Latexhäute aus der Serie IMAGO
Kuratiert von Kristina Grigorjeva
Metallisch schimmernde Objekte in verschiedenen Grössen und Farbstufen. Einige in einem dunklen Grau, glänzend und unwirklich. Andere in einem mittleren Braun, mit nur stellenweise angedeuteten Farbspuren, als ob sie schon lange daliegen würden, geformt und verblichen von der Witterung. Ande-re in hellem Holz, wie blankgelegte Knochen.
Ihre Form irritiert. Sind es gehäutete Muskelstränge, innere Organe? Knorpel, Knochen, oder Weich-teile? Die Objekte erinnern an seltsam knorrig gewachsene Äste und Wurzeln. Sie bestehen aus Holz, doch ihre Form wirkt nicht natürlich. Vieles ist rund, es gibt auffallend wenige Kanten. Immer wieder regelmässig auftauchende Muster – Dellen, Erhebungen, Schuppen. Diese wirken seltsam flüssig, ihre Form widerspricht dem festen Aggregatszustand der Objekte.
An Schachtgittern hängen hautähnliche Fetzen aus Latex. Einige in vergilbten Braun- und Gelbtönen, andere in schillernden und leuchtenden Farben. Allen gemeinsam ist ein aufdringlicher, stechender Geruch. Naturkautschuk ist der Milchsaft aus bestimmten Bäumen. Wird ihre Rinde angeschnitten fliesst der Saft und versiegelt die entstandene Wunde. Hier aber wurde der Milchsaft auf fremdes Holz aufgetragen und in erstarrter Form wieder abgezogen. Eine zusätzliche Hülle wurde um die Objekte gelegt und danach wieder entfernt. In ihr zeichnen sich die feinsten Unregelmässigkeiten ab – Jahres-ringe, Unebenheiten, Risse und Nähte.
Abtastungen, Abdrücke, Übertragungen in andere Materialien. Wie kann man ein Objekt erfassen? Wie verstehen? Was schreibt sich fort, was kommt neu dazu? Modell für die Objekte
im Ausstellungsraum waren Magnolienfrüchte von wenigen Zentimetern Grösse. Verschiedene Trans-formationsprozesse führten zur jetzigen Form: Abziehen der Form durch Latex, Giessen eines neuen Objekts aus Gips, 3D-Scan und digitale Vergrösserung, automatisiertes Fräsen des Objekts aus Eichen-holz.
Natur, Mensch, Vermessung, Reproduktion, digitale Techniken. Alles durchmischt sich, es gibt keine klar trennbaren Gegenpole. Die Jahresringe als Äquivalent zu den Höhenlinien des 3D-Modells. Der Samen wird virtuell erfasst und erneut materialisiert – allerdings ohne seinen genetischen Code. Die Objekte liegen physisch vor uns, wirken gleichzeitig wie isolierte Dateien im virtuellen Raum. Botani-sche Präparate, ein digitales Herbarium. Archaisch und futuristisch. (Text: Martina Venanzoni)
Elisabeth Eberle (*1963 in Vancouver, BC/CA) ist eine in Zürich wohnhafte Künstlerin. In ihrer Arbeit interessiert sie sich für den Einfluss von Technologie und Digitalisierung auf unsere Gesellschaft und für die visuellen Erscheinungsformen, welche diese neue Kulturtechnik mit sich bringt. In ihrer Arbeit ver-bindet sie ihre naturhistorische Ausbildung als Pharmazeutin, ihr Interesse an botanischen Präparaten und an wissenschaftlichem Zeichnen mit Gesellschaftsfragen, die den Naturbegriff in einem ganzheitlichen, den Menschen und seine Kultur miteinbeziehenden System denken.
Kristina Grigorjeva (*1990 in Tallinn/EE) lebt und arbeitet in Biel/Bienne. Sie ist eine unabhängige Kura-torin, Mitbegründerin und Co-Kuratorin des Zentrums für zeitgenössische Kunst KRONE COURONNE in Biel/Bienne, früher Kuratorin der Stiftung BINZ39 und Vermittlerin im Museum für Gestaltung in Zürich.
- Institution:
- Kunstraum Engländerbau